Über den Bau von Rahmen - von Kinderfahrrädern.

Warum baut man Kinderräder? Warum baut man überhaupt Fahrräder? (Einschub: wenn ich von Fahrräder bauen schreibe, dann meine ich Fahrräder bauen. Also alles. Auch - und vor allem den Rahmen...).
Warum überhaupt um alles in der Welt baut man Fahrradrahmen? Von Hand?




Das Wesentliche und Eigentliche, über den Bau von Fahrradrahmen aus Stahl, ist natürlich längst gesprochen. Von Dario Pegoretti: Zum Geruch von Stahl, der im Frühling anders ist, als im Winter, von den Händen und ihren unglaublichen Fähigkeiten, vom Leben und den Zufällen, mit denen es einen (z.B., wie in seinem Fall, die Liebe zu einer Frau zum Bau von Fahrradrahmen) geleitet, von Farbe und allem Möglichen weiteren. Auch von der „Beziehung zwischen Rahmenbauer und Kunde. Die nicht immer funktionieren muß...


ich denke, etwa wegen diesem Film, fing ich an Fahrradrahmen zu bauen.

Doch zurück zum Bau von Kinderfahrrädern - und deren Rahmen.
Man fängt mit Kinderfahrrädern an, weil man das der Ehefrau gut verkaufen und sich selbst schönreden kann.
Kaufbare Kinderräder sind sauschwer oder sauteuer.
Ein 16“ P...y Rad für 399,--€ wiegt immer noch fast 10kg. Das Kind, das dann darauf fahren soll vielleicht 18kg...
Will man mit einem Fahrrad fahren, welches etwa halb so schwer ist wie man selbst?
Nein, will man nicht. Außer man ist Masochist oder Fan von Schweizer Armee-Fahrrädern - was beides auf ähnlich tiefenpsychologischen Abläufen fußen dürfte.
Und was man selbst nicht möchte, wird man als moderner und somit engagierter Vater natürlich kaum seinen liebsten Kindern zumuten wollen.








Ist natürlich alles Quatsch. Man baut Kinderfahrräder, weil Fahrräder bauen einfach geil ist und weil Kinder-Fahrräder bauen ein guter Einstieg ist, um sich später selbst... Und weil Fahrräder bauen - sprich Fahrradrahmen bauen die höchste Evolutionsstufe des Fahrradschraubens darstellt. Wenn man an Fahrrädern schraubt, ist Fahrradrahmenbauen sozusagen folgerichtig. Es ist der Zielpunkt einer unausweichlich, naturgesetzlich (oder gar göttlich...?) vorgegebenen Kette der Schrauberkenntnisevolution. Oder besser: ein neues Level. Wie bei Computerspielen.

Soviel zu den Beweggründen. Wenn man es dann aber mal getan hat, ist alles ganz anders. Also eigentlich wie alles, was mit - vor allem den eigenen - Kindern zu tun hat. Man stellt sich am Anfang irgendwas vor, wie das wohl sein könnte, wie man das so angehen und durchziehen möchte und dann kommt es ungefähr genau andersrum.

In meinem Fall kommentierte der Sohn den Erhalt des ersten selbstgebauten, also komplett selbstgebauten, sprich mit selbstgebautem Rahmen versehenen Rades mit den Worten:
“Danke Papa, das Du mir das gebaut hast.“
Nicht danke für das Rad, nein, danke, das Du mir das gebaut hast.
Siebter Himmel. Oder eher zwölfter.




Später folgten weitere Räder. Mit einem fuhr er sein erstes, kleines Rennen, im Rahmen des Petit Departs, anlässlich des Grand Departs, dem Start der Tour de France in Düsseldorf.
Wir waren vor dem Start beide so unendlich nervös, wie man nur sein kann. Aber wir waren das gemeinsam. Wieder zwölfter Himmel, auch wenn stressbedíngt.
Mit dem gleichen Rad fuhr er noch zweimal beim Petit Depart mit, qualifizierte sich zuletzt fürs Finale - und gewann. Punkt. Schweben. Stolz. Rührung.

Eine letzte Begebenheit: bei den Finalteilnahmen jenes "Petit Depart" gibt es unter den Finalteilnehmern in einer Tombola immer ein cooles Rad zu gewinnen. Diesmal: ein Gravelbike, 24“, gestiftet von der „Schicken Mütze“. Hipsterstyle also. Sohnemann wünschte sich schon länger nichts sehnlicher als ein richtiges Rennrad. Daher verbrachte ich schon wochenlang die Feierabende in der Garage, um ein neues Rad, ein Rennrad, einen Rennradrahmen zu bauen. Kurz vor seinem Geburtstag, gewann er das Hipster-Kids-Racebike der "Schicken Mütze". Mein Rahmen war zwar fertig gelötet, alles andere aber etwa auf halb acht. Was tun?
Wir machten einen Deal: Warten bis zum Geburtstag, dann kann er sich zwischen einem der beiden Räder entschieden, das andere wird verkauft.
Wieder zwölfter Himmel. Er hat sich "richtig" entschieden. Der potentielle Verkaufserlös des Tombolahipsterrades half ein bisschen. Es konnte in Campagnolo-Teile investiert werden. Ergo-Power Bremsschalthebel sind für kleine Kinderhände einfach die Besten. Die schönsten sowieso.
Meinen Dank an die Schicke Mütze fürs Sponsoring.










Und hier kommt man nun zu dem, warum, so glaube ich ganz fest und überzeugt, Fahrradrahmen gebaut werden. Als, Bespoke-Maßanfertigung, einzelstückweise, von Hand für den einen Kunden. Es ist irgendwas emotionales. Ulrich Vogel hat es mal versucht zu umschreiben. Es sei ähnlich den Mäzenen und den Künstlern in grauer Vorzeit. Es ist die Wertschätzung des Einen für die Arbeit und das daraus resultierende Werk des Anderen. Und daraus wiederum folgt die tiefe Zufriedenheit (des Rahmenbauers), über die Zufriedenheit (des Rahmenbenutzers). Und der Respekt gegenüber dem entgegengebrachten Respekt. Es ist eine Art von gegenseitiger Wertschätzung (die vielleicht gar zu einer Idee vom Leben oder zumindest einem kleinen Teil des Lebens wurde). Zwischen Kunde und Anbieter, zwischen Macher und Nutzer. Beide geeint in der Liebe zum Rad, zum Radfahren und einer ähnlichen Idee vom Leben, der Anerkennung und dem Respekt.
Klingt vielleicht übertrieben, aber ich bin sicher, ganz viel davon steckt im Bau von Fahrradrahmen.

Und darum baute und baue ich Fahrräder, am liebsten für unsere Kinder.

Natürlich kommt dann noch ganz viel anderes hinzu. Der Geruch von Stahl, die Freude am eigenen Schaffen, die Arbeit mit den Händen, an deren Ergebnis ein (mehr oder weniger gut) nutzbares etwas steht...

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